Wolfgang Auer
2004-02-01 18:59:53 UTC
Liebe Leute,
Völlig überraschend hatte ich die Gelegenheit, mit meiner Holden freitags
die Strecke Wien--Bad Wildsheim zu fahren, und samstags zurück. Bei der
Rückfahrt war ca. 2 Stunden Zeit in Nürnberg für den dortigen ÖPNV. Mein
letzter echter Besuch in Nürnberg datiert schon mehr als 10 Jahre zurück,
und es war spannend, wieder einmal vorbeizuschauen. Hier ein paar Notizen:
Schade um die klassischen Nürnberger Gelenk- und Großraumzüge. Sie gaben
dieser Straßenbahn eine einzigartige und unverwechselbare Prägung. Bei
meinem letzten Besuch waren die damaligen N6 noch die neuesten Wagen,
nunmehr zu N8 verlängert -- und es sind nach wie vor sehr schöne Wagen;
die Gelenkzüge jedoch sind für mich die direkte Assoziation Nürnberg-Tram.
Was die Niederflurwagen betrifft: Die erste Generation ist typisch für den
damaligen Adtranztyp (ich will ihn mal so nennen): Eigenwillige Gestaltung
des Innenraums, und ein Seekrankheit provozierendes Kurvenverhalten. Bei
der Abzweigung der Linien 7 und 9 bei der Wodanstraße sägten wir nicht
stärker, aber auch nicht schwächer, als ich es befürchtet hatte, durch die
Kurve. Die neueren Wagen sind nicht nur wesentlich länger, sondern auch
offenbar ausgereifter. Sehr gefreut hat mich die umfassende Verwendung von
Brosebändern wenigstens innen, selbst bei Zügen, die als Frontanzeige eine
mit Matrixpunkterln aufweisen. Warum nimmt man da für die Frontanzeige
selbst nicht auch gleich ein wesentlich besser lesbares Broseband?
Seltsam erschien mir auch der wild gemischte Wageneinsatz: In ihrer
Kapazität höchst unterschiedliche Garnituren fahren quer über alle Linien
verteilt -- und die unterschiedliche Kapazität ist _sehr_ zu spüren.
Die Haltestellenansage habe ich nicht nur ausführlicher in Erinnerung, als
sie nunmehr ist, sondern auch professioneller gestaltet. Eine Dame, die
unglaublich gelangweilt, geradezu angeödet klingt, spricht die Ansagen,
erst am «Rraaschirrbahnhof» is sie aufgewacht und hat ein bisserl 'was
Fränkisches zum Besten gegeben. Mehr noch -- die Zusammenstöpselung ist
teilweise wüst. Wo war das nochmals? Bei der Frankenstraße, glaub' ich:
«... umsteigen zur U-Bahn» [Pause] [hektisch, angestückelt:] «und zu den
Buslinien». Zu welchen?
Wenn wir schon bei Frankenstraße sind: Ich hätte nicht gedacht, dass es
schäbigere ÖV-Architektur als die Wiener U-Strab geben könnte. Die U1 Süd,
mir bisher noch unbekannt, übertrifft das locker. Der Abgang zur Station
Frankenstraße, direkt von der Tramhaltestelle, sieht aus wie ein Relikt
aus dem 2. Weltkrieg à la vergessener Bunkereingang. Die Haltestelle
selbst ist nicht viel schöner. Völlig verstaubt und herunter gekommen,
ohne Akzente, kalt, aber alles andere als in einem ästhetischen Sinne.
Da sind wir schon beim Kernpunkt: Ich bezweifle nach diesem Besuch umso
mehr, dass Nürnberg sich eine _solche_ Voll-U-Bahn hat antun müssen.
Zügerln aus zwei Doppeltriebwagen fahren zart gefüllt auf Strecken,
die eine Stadtbahn wohl viel besser bedienen könnte, noch dazu mit den
Voraussetzungen, die die Geschichte Nürnbergs bietet, und durch Bahnhöfe,
die alle Vorurteile gegen schäbigen ÖV mehr als bestätigen. À propos:
War mein erster Besuch in Nürnberg noch geprägt vom damaligen Zerstückeln
des Trambahnnetzes, so sind nunmehr viele Relikte verschwunden. Ich
erinnere mich, dass meine erste Straßenbahnfahrt auf der Linie 9 von der
Haltestelle Maxfeldstraße zum Hauptbahnhof führte -- das muss in den
späten 80er-Jahren gewesen sein --, und an den Haltestellen viele, sehr
viele Lücken klafften, wo die Liniennummern angebracht zu werden pflegten.
Lange Zeit suchte ich nach Quellen der Vergangenheit der Nürnberger
Straßenbahn (leider gibt's offenbar kein Buch darüber...), und erst das
Internet ermöglichte es, auf deren Spuren zu wandern -- und bitterlich
zu weinen!
Doch zurück zur Gegenwart: Die Fahrweise war erstaunlich gemächlich,
_sehr_ gemächlich! Umso verwunderlicher, als die Ampelschaltungen sooo
schlecht nicht sind, um Eckhäuser besser als in Wien jedenfalls. Warten
mussten wir eigentlich nur an eher schwierig handzuhabenden Kreuzungen,
niemals jedoch bei solchen mit Querverkehr völlig untergeordneter
Bedeutung, wie es einen in Wien andauernd zum Kochen bringt. Die ganze
Anlage der Straßenbahn -- diesmal bin ich mehr oder weniger das ganze
Südostnetz abgefahren -- erinnert doch stark an eine klassische Tram
mit ihren Problempunkten; aber auch mit ihren Stärken! So richtig flott
sind wir dann bei der letzten Fahrt mit einer verspäteten Garnitur der
9er gefahren -- geht ja also doch, wenn man will :-) Mir scheint jedoch,
dass die Fahrzeitreserven samstags, ähem, reichlich verteilt sind.
Wenigstens fuhr kein Fahrer zu früh, sondern bummelte den Fahrplan aus.
Die Gleislage selbst hat mich anfangs schockiert; vom Luitpoldhain fuhr
ich zunächst zur Schweiggerstraße, der wohl am stärksten befahrenen
Straßenbahnkreuzung Nürnbergs (vielleicht vom Hauptbahnhof abgesehen).
Und da war alles an Straße und Gleisen höchst marod. Der Eindruck besserte
sich wohl im Laufe des Nachmittags; einen besonders hohen Standard in der
Pflege der Gleise kann ich den Nürnbergern dennoch nicht bescheinigen.
Aber das gehört halt zu den Punkten, wo wir in Wien höchst verwöhnt sind.
Sehr nett ist das Arrangement rund um Finkenbrunn, mit der eingleisigen
Strecke samt sehr steilem, sehr abrupt endenden Gefälle und der folgenden
engen Unterführung, ja, schön, wenn eine Straßenbahn so angelegt wird.
Dort jedoch war die Auslastung eher nur mehr sehr spärlich -- fahren denn
am Samstag um 15:00 dort draußen so wenige Leute mit der Trambahn? Wie
auch immer, die Intervalle samstags tagsüber sind mit dem konsequenten
10-Minuten-Takt wenigstens auf den Straßenbahnstrecken erträglich, ab ½5
(das ist 16:30 ;-) jedoch wird's wild: Nur mehr 20-Minuten-Takt auf allen
Linien. Schlimm! Da fährt bei uns die Straßenbahn sonntags um Mitternacht
öfter! Hat sich eine derartige Verdünnung im Taktgefüge nicht schlecht auf
die Fahrgastzahlen ausgewirkt? Das einzig Beeindruckende daran ist der zu
dieser Zeit, 16:30, nicht enden wollende Strom von überall her kommender
Straßenbahngarnituren zur Frankenstraße, dem nunmehr einzigen Betriebshof
(nicht wahr? Oder ziehen noch Züge nach Nordost ein?).
Tja, soweit meine ersten Eindrücke; ein launiges Posting ist das geworden,
bitte es cum grano salis zu lesen und verstehen.
Liebe Grüße, Wolfgang
Völlig überraschend hatte ich die Gelegenheit, mit meiner Holden freitags
die Strecke Wien--Bad Wildsheim zu fahren, und samstags zurück. Bei der
Rückfahrt war ca. 2 Stunden Zeit in Nürnberg für den dortigen ÖPNV. Mein
letzter echter Besuch in Nürnberg datiert schon mehr als 10 Jahre zurück,
und es war spannend, wieder einmal vorbeizuschauen. Hier ein paar Notizen:
Schade um die klassischen Nürnberger Gelenk- und Großraumzüge. Sie gaben
dieser Straßenbahn eine einzigartige und unverwechselbare Prägung. Bei
meinem letzten Besuch waren die damaligen N6 noch die neuesten Wagen,
nunmehr zu N8 verlängert -- und es sind nach wie vor sehr schöne Wagen;
die Gelenkzüge jedoch sind für mich die direkte Assoziation Nürnberg-Tram.
Was die Niederflurwagen betrifft: Die erste Generation ist typisch für den
damaligen Adtranztyp (ich will ihn mal so nennen): Eigenwillige Gestaltung
des Innenraums, und ein Seekrankheit provozierendes Kurvenverhalten. Bei
der Abzweigung der Linien 7 und 9 bei der Wodanstraße sägten wir nicht
stärker, aber auch nicht schwächer, als ich es befürchtet hatte, durch die
Kurve. Die neueren Wagen sind nicht nur wesentlich länger, sondern auch
offenbar ausgereifter. Sehr gefreut hat mich die umfassende Verwendung von
Brosebändern wenigstens innen, selbst bei Zügen, die als Frontanzeige eine
mit Matrixpunkterln aufweisen. Warum nimmt man da für die Frontanzeige
selbst nicht auch gleich ein wesentlich besser lesbares Broseband?
Seltsam erschien mir auch der wild gemischte Wageneinsatz: In ihrer
Kapazität höchst unterschiedliche Garnituren fahren quer über alle Linien
verteilt -- und die unterschiedliche Kapazität ist _sehr_ zu spüren.
Die Haltestellenansage habe ich nicht nur ausführlicher in Erinnerung, als
sie nunmehr ist, sondern auch professioneller gestaltet. Eine Dame, die
unglaublich gelangweilt, geradezu angeödet klingt, spricht die Ansagen,
erst am «Rraaschirrbahnhof» is sie aufgewacht und hat ein bisserl 'was
Fränkisches zum Besten gegeben. Mehr noch -- die Zusammenstöpselung ist
teilweise wüst. Wo war das nochmals? Bei der Frankenstraße, glaub' ich:
«... umsteigen zur U-Bahn» [Pause] [hektisch, angestückelt:] «und zu den
Buslinien». Zu welchen?
Wenn wir schon bei Frankenstraße sind: Ich hätte nicht gedacht, dass es
schäbigere ÖV-Architektur als die Wiener U-Strab geben könnte. Die U1 Süd,
mir bisher noch unbekannt, übertrifft das locker. Der Abgang zur Station
Frankenstraße, direkt von der Tramhaltestelle, sieht aus wie ein Relikt
aus dem 2. Weltkrieg à la vergessener Bunkereingang. Die Haltestelle
selbst ist nicht viel schöner. Völlig verstaubt und herunter gekommen,
ohne Akzente, kalt, aber alles andere als in einem ästhetischen Sinne.
Da sind wir schon beim Kernpunkt: Ich bezweifle nach diesem Besuch umso
mehr, dass Nürnberg sich eine _solche_ Voll-U-Bahn hat antun müssen.
Zügerln aus zwei Doppeltriebwagen fahren zart gefüllt auf Strecken,
die eine Stadtbahn wohl viel besser bedienen könnte, noch dazu mit den
Voraussetzungen, die die Geschichte Nürnbergs bietet, und durch Bahnhöfe,
die alle Vorurteile gegen schäbigen ÖV mehr als bestätigen. À propos:
War mein erster Besuch in Nürnberg noch geprägt vom damaligen Zerstückeln
des Trambahnnetzes, so sind nunmehr viele Relikte verschwunden. Ich
erinnere mich, dass meine erste Straßenbahnfahrt auf der Linie 9 von der
Haltestelle Maxfeldstraße zum Hauptbahnhof führte -- das muss in den
späten 80er-Jahren gewesen sein --, und an den Haltestellen viele, sehr
viele Lücken klafften, wo die Liniennummern angebracht zu werden pflegten.
Lange Zeit suchte ich nach Quellen der Vergangenheit der Nürnberger
Straßenbahn (leider gibt's offenbar kein Buch darüber...), und erst das
Internet ermöglichte es, auf deren Spuren zu wandern -- und bitterlich
zu weinen!
Doch zurück zur Gegenwart: Die Fahrweise war erstaunlich gemächlich,
_sehr_ gemächlich! Umso verwunderlicher, als die Ampelschaltungen sooo
schlecht nicht sind, um Eckhäuser besser als in Wien jedenfalls. Warten
mussten wir eigentlich nur an eher schwierig handzuhabenden Kreuzungen,
niemals jedoch bei solchen mit Querverkehr völlig untergeordneter
Bedeutung, wie es einen in Wien andauernd zum Kochen bringt. Die ganze
Anlage der Straßenbahn -- diesmal bin ich mehr oder weniger das ganze
Südostnetz abgefahren -- erinnert doch stark an eine klassische Tram
mit ihren Problempunkten; aber auch mit ihren Stärken! So richtig flott
sind wir dann bei der letzten Fahrt mit einer verspäteten Garnitur der
9er gefahren -- geht ja also doch, wenn man will :-) Mir scheint jedoch,
dass die Fahrzeitreserven samstags, ähem, reichlich verteilt sind.
Wenigstens fuhr kein Fahrer zu früh, sondern bummelte den Fahrplan aus.
Die Gleislage selbst hat mich anfangs schockiert; vom Luitpoldhain fuhr
ich zunächst zur Schweiggerstraße, der wohl am stärksten befahrenen
Straßenbahnkreuzung Nürnbergs (vielleicht vom Hauptbahnhof abgesehen).
Und da war alles an Straße und Gleisen höchst marod. Der Eindruck besserte
sich wohl im Laufe des Nachmittags; einen besonders hohen Standard in der
Pflege der Gleise kann ich den Nürnbergern dennoch nicht bescheinigen.
Aber das gehört halt zu den Punkten, wo wir in Wien höchst verwöhnt sind.
Sehr nett ist das Arrangement rund um Finkenbrunn, mit der eingleisigen
Strecke samt sehr steilem, sehr abrupt endenden Gefälle und der folgenden
engen Unterführung, ja, schön, wenn eine Straßenbahn so angelegt wird.
Dort jedoch war die Auslastung eher nur mehr sehr spärlich -- fahren denn
am Samstag um 15:00 dort draußen so wenige Leute mit der Trambahn? Wie
auch immer, die Intervalle samstags tagsüber sind mit dem konsequenten
10-Minuten-Takt wenigstens auf den Straßenbahnstrecken erträglich, ab ½5
(das ist 16:30 ;-) jedoch wird's wild: Nur mehr 20-Minuten-Takt auf allen
Linien. Schlimm! Da fährt bei uns die Straßenbahn sonntags um Mitternacht
öfter! Hat sich eine derartige Verdünnung im Taktgefüge nicht schlecht auf
die Fahrgastzahlen ausgewirkt? Das einzig Beeindruckende daran ist der zu
dieser Zeit, 16:30, nicht enden wollende Strom von überall her kommender
Straßenbahngarnituren zur Frankenstraße, dem nunmehr einzigen Betriebshof
(nicht wahr? Oder ziehen noch Züge nach Nordost ein?).
Tja, soweit meine ersten Eindrücke; ein launiges Posting ist das geworden,
bitte es cum grano salis zu lesen und verstehen.
Liebe Grüße, Wolfgang