Ralph Sontag
2012-04-20 12:08:57 UTC
Wer in den Niederlanden den ÖPNV nutzen will, benötigt unbedingt eine Chip-
karte (in fast allen Regionen, außer bei der Bahn, da ist es nicht zwingend).
http://www.ov-chipkaart.nl/
Unser letzter Besuch führte uns nach Den Bosch, die Erfahrungen
gründen sich also auf den dortigen Besuch und den entsprechenden
Verkehrsverbund Brabant.
Halt, es gibt inzwischen eine Alternative für Touristen: Die Busfahrer
verkaufen ein 3-EUR-Ticket. Pauschal 3 EUR pro Person unabhängig
von der Haltestellenzahl und _ohne_ Umsteigeberechtigung.
Für unsere fünfköpfige Familie waren also für eine 5-km-Busfahrt
15 EUR fällig. Das ist etwas hoch, also entschlossen wir uns, diese
Chipkarten zu beschaffen. Die gibt es in einer persönlichen und in
einer anonymen Version. Persönlich bedeutet Antrag, Passbild, Warte-
zeit. Also für uns unsinnig. Anonym bedeutet, keine Ermäßigung für
Kinder. Familien-, Tages- oder Wochenkarten gibt es sowieso nicht.
Zumindest fanden wir keinerlei Hinweise darauf. (Das ist auch regional
unterschiedlich. )Monatskarten gibt es nur für persönliche Karten,
aber die brauchten wir nicht.
Nun also die Karten beschaffen. Wir fanden eine Adresse, doch dort
konnte man die Karten nur aufladen, nicht aber kaufen. Unsere
holländische Freundin fuhr schließlich mit dem Auto zu einer Verkaufs-
stelle und kaufte 5 Karten für 7,50 EUR pro Stück und luden sie mit
10 EUR pro Karte auf.
Das System: Beim Einsteigen werden 4 EUR abgebucht. Dann berechnet sich
der Tarif in Brabant aus einem Basistarief von 0,83 EUR und einem
Kilometerpreis von 13,2 Cent. Beim Umsteigen innerhalb von 35 min. wird
der Basistarif nicht erneut fällig. Beim Aussteigen wird der Restbetrag
wieder aufgebucht - wer das Auschecken vergisst, kann versuchen, das
Geld via online-Formular zurückzubekommen.
Unsere Freundin hatte netterweise 10 EUR auf jede Karte aufgebucht, die
sich aber schnell dem Ende zuneigten. Also aufladen ... aber wo?
Wir fanden einen Aufladepunkt nur eine Haltestelle von unserem Quartier
entfernt. Der Automat funktioniert nur bargeldlos, gegen Bargeld geht
es nirgendwo. Er trug die Zeichen "V-Pay" und "Maestro". Die V-Pay-Karten
wurden nicht aktzeptiert (in den Geschäften aber schon). Ein Anruf
bei der Chipkaart-Zentrale ergab, dass das Zeichen nichts bedeutet,
V-Pay geht nicht. Ich hatte noch eine Maestro-Karte - nur blöderweise
nach langer Nicht-Nutzung die PIN nicht mehr präsent. OK, Fehler von mir.
Stiegen wir also mit einem kleinen Restbetrag auf den Karten ein und
sahen, dass man bei der 4-EUR-Abbuchung auch ins Negative rutschen kann.
Wir kamen also erst mal mit. Dann suchten wir - inzwischen wieder mit
unserer Freundin - einen weiteren Aufladepunkt auf, wo sie unsere Karten
aufwertete. Wir gingen zur nächsten Bank und gaben ihr das Geld bar zurück.
Das war für sie nicht ganz unproblematisch, da ihr Konto beinahe ins Negative
geriet durch die nunmehr zweite Zwischenfinanzierung.
Unsere nächste Fahrt war etwas weiter weg. Merkwürdigerweise bezahlten
hier die Holländer z.T. mit 3-EUR-Tickets bar beim Busfahrer. Hm?
Die Fahrt kostete ca. 4,20 EUR.
Glücklicherweise stellten sich für uns die Alternativen so dar:
Mit Chipkaart: 4,20 + 0,60 (Anschlussfahrt ohne Basistarif): 4,60
Mit Touristenticket: 3,00 + 1,43 (Anschlussfahrt mit Basistarif): 4,43
- jeweils pro Person. Der Verlust beschränkte sich also
auf 5*17 = 85 Cent, das ist vertretbar. Ohne die Anschlussfahrt hätten wir
uns mehr geärgert.
Der Aufwand, den wir für die paar Fahrten betrieben haben, war enorm.
Hinzu kommt, dass wir jetzt 5 Karten herumliegen haben, die fünf Jahre
gültig sind, und auf denen zudem noch ein Barvermögen gespeichert ist.
Das mussten wir aber tun, denn nach unseren Erfahrungen können wir nicht
damit rechnen, beim nächsten Besuch auf Anhieb einen Aufladepunkt zu
finden, dann während einer kurzen Umsteigepause fünf Karten laden zu
können und außerdem noch eine funktionierende Bankkarte zu beisitzen.
Unsere holländischen Freunde hatten folgende Meinungen:
- Die eine besaß eine Monatskarte für eine bestimmte Strecke. Das klappt.
Aber sie kann ihre Karte nicht aufladen für Fahrten auf anderen Strecken.
Geht sie zum Servicepunkt, bekommt sie die Auskunft, die Karte wäre ok
und Aufladen kein Problem. Geht sie zum Automaten, geht es nicht.
Da am Servicepunkt kein Aufladepunkt existiert, kann sie die Leute nicht
überzeugen, dass das nicht geht und hat aufgegeben. Zu unserem Treffen
fuhr ein Zug - da kann man noch normale Fahrkarten kaufen. Sonst nimmt
sie halt Fahrrad oder Auto.
- Die andere hat den Eindruck, dass viele Gelegenheitsfahrer unter ihren
Kollegen gar nicht mehr Bus fahren. Der Aufwand ist zu hoch, diese Karten
zu kaufen, zu laden und dann auch zu finden, wenn man sie braucht.
- Tenor: Wenn irgendetwas schiefgeht, ist immer der Kunde schuld, uns es
geht oft etwas schief.
- Ich persönlich habe den Eindruck, dass die Busse deutlich leerer geworden
sind seit unserem letzten Besuch. Das ist aber sehr subjektiv.
Die zentrale Webseite http://www.ov-chipkaart.nl/ ist in holländisch und
nur teilweise in englisch. Einige Informationen sind nur sehr mühevoll zu
finden.
Was die Sicherheit der Karten angeht, gibt es auch noch einige spannende
Kapitel, die hier aber zu weit führen würden.
Was ist da in Holland passiert? Will man den ÖPNV kaputtmachen? Die
Strippenkaart war doch ein sensationell einfaches System - warum gibt es die
nicht mehr? Warum kann man nicht per Überweisung aufladen? Warum gibt es auf
anonymen Karten keine Gruppen-, Tages- o.ä Karten? Warum gibt es in den
Aufladepunkten in den Geschäften keine Bargeldaufladung? Die Geschäfte
hantieren doch mit Bargeld. Wie kann man vorher herausfinden, wieviel eine
Fahrt kostet?
Viele Grüße!
Ralph.
karte (in fast allen Regionen, außer bei der Bahn, da ist es nicht zwingend).
http://www.ov-chipkaart.nl/
Unser letzter Besuch führte uns nach Den Bosch, die Erfahrungen
gründen sich also auf den dortigen Besuch und den entsprechenden
Verkehrsverbund Brabant.
Halt, es gibt inzwischen eine Alternative für Touristen: Die Busfahrer
verkaufen ein 3-EUR-Ticket. Pauschal 3 EUR pro Person unabhängig
von der Haltestellenzahl und _ohne_ Umsteigeberechtigung.
Für unsere fünfköpfige Familie waren also für eine 5-km-Busfahrt
15 EUR fällig. Das ist etwas hoch, also entschlossen wir uns, diese
Chipkarten zu beschaffen. Die gibt es in einer persönlichen und in
einer anonymen Version. Persönlich bedeutet Antrag, Passbild, Warte-
zeit. Also für uns unsinnig. Anonym bedeutet, keine Ermäßigung für
Kinder. Familien-, Tages- oder Wochenkarten gibt es sowieso nicht.
Zumindest fanden wir keinerlei Hinweise darauf. (Das ist auch regional
unterschiedlich. )Monatskarten gibt es nur für persönliche Karten,
aber die brauchten wir nicht.
Nun also die Karten beschaffen. Wir fanden eine Adresse, doch dort
konnte man die Karten nur aufladen, nicht aber kaufen. Unsere
holländische Freundin fuhr schließlich mit dem Auto zu einer Verkaufs-
stelle und kaufte 5 Karten für 7,50 EUR pro Stück und luden sie mit
10 EUR pro Karte auf.
Das System: Beim Einsteigen werden 4 EUR abgebucht. Dann berechnet sich
der Tarif in Brabant aus einem Basistarief von 0,83 EUR und einem
Kilometerpreis von 13,2 Cent. Beim Umsteigen innerhalb von 35 min. wird
der Basistarif nicht erneut fällig. Beim Aussteigen wird der Restbetrag
wieder aufgebucht - wer das Auschecken vergisst, kann versuchen, das
Geld via online-Formular zurückzubekommen.
Unsere Freundin hatte netterweise 10 EUR auf jede Karte aufgebucht, die
sich aber schnell dem Ende zuneigten. Also aufladen ... aber wo?
Wir fanden einen Aufladepunkt nur eine Haltestelle von unserem Quartier
entfernt. Der Automat funktioniert nur bargeldlos, gegen Bargeld geht
es nirgendwo. Er trug die Zeichen "V-Pay" und "Maestro". Die V-Pay-Karten
wurden nicht aktzeptiert (in den Geschäften aber schon). Ein Anruf
bei der Chipkaart-Zentrale ergab, dass das Zeichen nichts bedeutet,
V-Pay geht nicht. Ich hatte noch eine Maestro-Karte - nur blöderweise
nach langer Nicht-Nutzung die PIN nicht mehr präsent. OK, Fehler von mir.
Stiegen wir also mit einem kleinen Restbetrag auf den Karten ein und
sahen, dass man bei der 4-EUR-Abbuchung auch ins Negative rutschen kann.
Wir kamen also erst mal mit. Dann suchten wir - inzwischen wieder mit
unserer Freundin - einen weiteren Aufladepunkt auf, wo sie unsere Karten
aufwertete. Wir gingen zur nächsten Bank und gaben ihr das Geld bar zurück.
Das war für sie nicht ganz unproblematisch, da ihr Konto beinahe ins Negative
geriet durch die nunmehr zweite Zwischenfinanzierung.
Unsere nächste Fahrt war etwas weiter weg. Merkwürdigerweise bezahlten
hier die Holländer z.T. mit 3-EUR-Tickets bar beim Busfahrer. Hm?
Die Fahrt kostete ca. 4,20 EUR.
Glücklicherweise stellten sich für uns die Alternativen so dar:
Mit Chipkaart: 4,20 + 0,60 (Anschlussfahrt ohne Basistarif): 4,60
Mit Touristenticket: 3,00 + 1,43 (Anschlussfahrt mit Basistarif): 4,43
- jeweils pro Person. Der Verlust beschränkte sich also
auf 5*17 = 85 Cent, das ist vertretbar. Ohne die Anschlussfahrt hätten wir
uns mehr geärgert.
Der Aufwand, den wir für die paar Fahrten betrieben haben, war enorm.
Hinzu kommt, dass wir jetzt 5 Karten herumliegen haben, die fünf Jahre
gültig sind, und auf denen zudem noch ein Barvermögen gespeichert ist.
Das mussten wir aber tun, denn nach unseren Erfahrungen können wir nicht
damit rechnen, beim nächsten Besuch auf Anhieb einen Aufladepunkt zu
finden, dann während einer kurzen Umsteigepause fünf Karten laden zu
können und außerdem noch eine funktionierende Bankkarte zu beisitzen.
Unsere holländischen Freunde hatten folgende Meinungen:
- Die eine besaß eine Monatskarte für eine bestimmte Strecke. Das klappt.
Aber sie kann ihre Karte nicht aufladen für Fahrten auf anderen Strecken.
Geht sie zum Servicepunkt, bekommt sie die Auskunft, die Karte wäre ok
und Aufladen kein Problem. Geht sie zum Automaten, geht es nicht.
Da am Servicepunkt kein Aufladepunkt existiert, kann sie die Leute nicht
überzeugen, dass das nicht geht und hat aufgegeben. Zu unserem Treffen
fuhr ein Zug - da kann man noch normale Fahrkarten kaufen. Sonst nimmt
sie halt Fahrrad oder Auto.
- Die andere hat den Eindruck, dass viele Gelegenheitsfahrer unter ihren
Kollegen gar nicht mehr Bus fahren. Der Aufwand ist zu hoch, diese Karten
zu kaufen, zu laden und dann auch zu finden, wenn man sie braucht.
- Tenor: Wenn irgendetwas schiefgeht, ist immer der Kunde schuld, uns es
geht oft etwas schief.
- Ich persönlich habe den Eindruck, dass die Busse deutlich leerer geworden
sind seit unserem letzten Besuch. Das ist aber sehr subjektiv.
Die zentrale Webseite http://www.ov-chipkaart.nl/ ist in holländisch und
nur teilweise in englisch. Einige Informationen sind nur sehr mühevoll zu
finden.
Was die Sicherheit der Karten angeht, gibt es auch noch einige spannende
Kapitel, die hier aber zu weit führen würden.
Was ist da in Holland passiert? Will man den ÖPNV kaputtmachen? Die
Strippenkaart war doch ein sensationell einfaches System - warum gibt es die
nicht mehr? Warum kann man nicht per Überweisung aufladen? Warum gibt es auf
anonymen Karten keine Gruppen-, Tages- o.ä Karten? Warum gibt es in den
Aufladepunkten in den Geschäften keine Bargeldaufladung? Die Geschäfte
hantieren doch mit Bargeld. Wie kann man vorher herausfinden, wieviel eine
Fahrt kostet?
Viele Grüße!
Ralph.